Freitag, 30. Juli 2010


Vorhölle, vormittags

O Wall von circa 99 Monitoren im Saturn
in Bergisch Gladbach, wo noch jeder Ball
im Spiel bleibt, auch bei einzelweisem Schirmausfall
im Flachbildwald mit seinen Volksempfang-Figurn;

wo wenn die Hand von einer dieser Sportnaturn
nach oben senst: so ssst im Handgrußschwall,
so ohne angesichts der Stummfilmschaltung Rückwallhall,
in 99 Tormann-Abschlag-Deutschgruß-Positurn;

wo du dann denkst: Na schön, so spät iss schon, jetzt reichs,
am Ende eines langen Tages Preisvergleichs
gehn alle von den Wandbildschirmen aus.

Wannseh ich schonn son Spiel, wofür son teures Plasma-
LCD-Dings oder so, sich lohnt. Nee lassma.
Doch staunste schonn und finss den Weg kaum mehr nach Haus.

© Thomas Krüger, Juli 2010

Sonntag, 25. Juli 2010


Auf meine Lesebrille

Mein Rest in nikabischen Stoffen,
mein Körper ganz Augen; am Schlitz
der Nasenspitzbrille, dem Sitz
von Eingang und Ausgang, schmal offen;

von schwarzweißer Klarheit betroffen,
von Wäldern aus Riesen: hochspitz,
von Hinter- um Hintergrundblitz,
von Schattentanzstillstand besoffen:

Wie neu scheint im Lesen mit Brille
die Welt vor der Krummglaspupille,
wie spannt sie mich fest hinter Text?

Wie hüllt sie mich ein, die mich füllt,
mich zielgenau bildet, vermüllt?
Die Weltsicht ist kastenverhext.

© Thomas Krüger, Juli 2010
Hans-guck-in-die-Luft

Vermuten wir Gutes: Die wenigen, die
den Blick zum Himmel hin richten,
gehorchen dem schlichten
Drang der Besorgten; sie

würden sich nie
politisch fehlrichten
und leichthin verzichten
auf untenerguckbare Epiphanie.

Was also hemmt das blickrichtige,
kollektivistische, wichtige,
Gucken nach unten bei jenen?

Cumulonimbusausdehnen!
Ein IPad-Regenschirm Kauf
löste dies Guckproblem auf.

© Thomas Krüger, Juli 2010







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Padding

Man sagt dir eine Schwäche nach,
als Frau, für wahrhaft Funktionales,
nicht allzu übertrieben Digitales.
Du weißt, wovon ich spreche?

So einfach, so bestechend flach,
berührend, wenn berührt, ein geniales
Leichtbauteil des silikonen Tales,
mit feinem Schillern auf der Oberfläche:

Ach Mama, das ist reinstes Fingerfett,
das geht mit einem kleinen Schaberset
zur Kochfeldpflege weg; und ein Verkaufsgenie

von Apples Oberflächen-Edler-Machern,
der kann das IPad-Fett gewiss verschachern:
als Implantat-Verbesserer, der Pornoindustrie.

© Thomas Krüger, Juli 2010







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Samstag, 10. Juli 2010

Was soll ich sagen?

Der Eisberg: Aus den
Fenstern des dahin-
rasenden Speisewagens im
Sommergrün der Norddeutschen
Tiefebene bei Oebisfelde ruft er
mit Staunen in
vielerlei Stimmen
durcheinander:
Wahnsinn! Da vorn!
Ein Eisberg! Ein
Zuckerhut! Nein, das ist
Eis! Sieht aus wie ein riesiger
Zuckerhut! Glänzendes Eis, so
hoch wie der Himmel!
Eisberg voraus!!
Und viele der
Stimmen aus diesem da-
hinrasenden Speisewagen zer-
splittern am Megakathe-
dralgroßen des Eisbergs, am
den Sog eines umgekippten, zum
Himmel hin aufragenden Parabo-
loids Erfüllenden mit
Ähnlichkeit zu Zuckerhut und
invertiertem, dahinwirbelnden Tor-
nado, dessen
kreisrunder Schneckenfuß die
Ebene durchfräsend sämtliche Um-
gebung von Luft und Wesenheit zu
lauen Ausweichmanövern von
Wind degradiert und ein
allererstes Wort dort
flußläufig niederschreibt
– vielleicht Mama –
in der zitternden, von
Rufen und Schreien begleiteten
Schrift eines Megaerschreckten
– vielleicht eine Gleichung –
was die kleinen Staunenden, Ver-
wunderten nahezu als Stillstand erleben
– vielleicht SOS –
was der riesigen Bewegung in ihrem
Stillstand, in ihrem
Tosen, als Wort mit Wundkern die
kleinstmöglichen Flügel verleiht
– für die größt-
mögliche Lösung der mög-
lichen Gleichung
möglicherweise.

© Thomas Krüger, Juli 2010







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Mittwoch, 7. Juli 2010

Erinnerung

Sommermorgen: Zylinderhuttragende Arbeiter rissen
am siebenten Dezember 2010 nach Durchfahrt der frühen
Pendlerzüge ein sechs Kilometer langes Stück Gleis
aus den Gleisen von Nürnberg nach Fürth und
umgekehrt und hielten mit ihrer stillen Aktion ein
Publikum von Birkenspannern und Windhunden und
wenigen morgenmüde nasbohrenden, gleisnah da-
hinspielenden Kindern beschäftigt - füllten dem an-
schwellenden Schichtbetrieb sein edelmetallenes Ver-
dauungsproduzieren: Geist-und-Ding-Werden, Ticken und
Singen mit vollkommener, berührungsloser Leere, Me-
tallabbau, Grube und Hase, und schufen, ent-
nahm man den bis an den Schluß der Aktion so
nasbohrend wenigen Zeugen, Gefühle surround von
glotzenden Kühen in tiefliegenden Wolken, ein unbe-
rührt von allen unfallverwandten Taktungen wattiges
kieferorthopädisches Profil in schwellender Sommer-
schwüle geschossener Tiere, die nur der König
schießen darf: eine Art Zahnarzt-Nahtod-Erfahrung
blühender Landschaft. Dann sah man nach vorn.

© Thomas Krüger, Juli 2010







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Sommer

Tief hängen Leitungen: summende Leinen.
Am Starkstrom zuckt Wäsche zum Trocknen.
Hände durchbrennen aus triefendem Socknen
Zündschnüre-Inneres bauchwärts in einen

Leib voller Steine. Qua Leiter vereinen
vom Himmel hoch her sich die rocknen,
blusen- und hosenen, meta-flip-flopnen
Flaggen von Brüsten und Hüften und Beinen.

Schwer ist der Sommer von Zeitungen.
Sie fächeln sich unter den Leitungen
Rauch zu in Städten von Grün.

Offen stehn Häusergespenster.
Im Brennpunkt der Türen und Fenster
feuerlochfüllend steht Glühn.

© Thomas Krüger, Juli 2010







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Sonntag, 27. Juni 2010

Sommerfest

Der Bundespräsidentenfilter: lauter als die vielen Lüfter
von reifer oder älter gewordenen Prozessoren unter den
Schreibtischen und inneren Gartenbänken. Wind durch die
feinen Poren des freiheitsstatuenäquivalenten Runds,
das nicht rund ist: Wind, der nicht Wind ist, brennstaben-
gerade, durch enge Vuvuzela-Gänge längergezogen und
fröhlicher klagend, als die edel verkleideten Maschinen mit ihren
geheimhaltbaren Mechanismen von Hauen und Treten im Inneren:
listen and learn: von den Gartenfesten, Männern und Frauen in
Ämtern & Würden: Hussen, fein und fett über angedeutete Ausbruchsver-
suche von bild- und skulpturgewaltigen Schweinereien gezogen:
Der wieder so sichtbar gewordene Clark Kent in sämtlichen
Stadien des Hand-an-sich-selbst-Legens vor seiner beständig im
Off bleibenden endgültigen Verwandlung: Insektenklänge.
Bis hinein in das nanotechnische Atemluflose: das allumfassende Ver-
stopfen und schließlich die Super-Mario-Monteure von draußen,
die Vielen, die aussehen müßten wie Pornodarsteller ante portas:
gummistiefeltragend. Mein Gott, welcher Jubel.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Troja, Februar 2010

Heinrich Schliemann starb in der Saarstraße 12, an einem Tag, als
Bob der Baumeister nicht mehr weiterwußte. Es war Winter.
Der Hinterhof von Schliemanns Tod lag knöcheltief unter dem
Schnee von Beschwörungen, in dessen Krähenbetripplung Alz-
heimer-Heinrich, wie Nachbarn und örtliche Jugendbanden
den alten Mann seit Jahren nannten, sich Stunden zuvor noch
herumtappend vergänglich gemacht hatte: barfuß und radikal.
Bob der Baumeister hatte gesprochen, und die Fernsehapparate
der Welt waren entflammt wie von selbst, und Sophia Schliemann
lag im letzten Glanz eines ausgeglühten Quasi-Wahlkampfauf-
tritts Bobs im Bett: doch sah sie wohl, dass H. in Unterhosen,
sockenlos, das gemeinsame Wohn- und Schlafzimmer verließ.
Sie schloß die Tür. Die Krähen flogen auf und Heinrich ging
mit Spaten, nur im Hemd, ins weiße Beet und züchtigte den Kohl,
der gar nicht da war, warf die Mischmaschine an, die da war seit
der Nachbar nebenan im harten Friedhofsboden lag: besiegt.
Der Weg war frei für Heinrichs U-Bahn-Bau auf altem Muni-
tionsfabrikenuntergrund, in dem er dann und wann ein Stück
Gebiß, den einen oder andern Goldzahn oder Knochen fand,
doch dank der Krankheit merkte er das nicht. Er sammelte, und
alle Knochen wurden ihm zu Teilen einer Flugmaschine, die er
nachts im Schuppen nah der Grube aus dem Plan im Kopf als
breite Flügelkonstruktion versuchte nachzubaun, bespannt mit
klassisch klein karierten Tüchern fürs Geschirr, die seine Frau schon
länger irgendwo im Schuppen vermutete. An diesem Tag, als Bob
gesprochen hatte in den frischen Schnee und als die Tür ins
Schloß fiel, schnallte sich Schliemann die fertigen Flügel um und ver-
änderte die Botschaft der Krähenfüße, bevor er die schmale
Betoneinfassung des Komposthaufens bestieg und strauchelte und
zu Tode stürzte – in der Verzögerung des Erfrierens. Doch ein
Teil seiner selbst begann zu entschweben, verflog wie die
Essenz eines Geschirrtuchs, das mit Flugbenzin getränkt im
kalten Garten lag und steif und immer steifer wurde, und ein
Steif- und immer steifer Werden weitergab in alle Richtungen, von
diesem Ort, von dieser Stunde aus. Es dauert an.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Freitag, 25. Juni 2010

Ei-Ei-Ei

Dein Blick ist von der Dunkelheit der Shades
so blöd geworden, dass man denkt, dich traf
ein Schlaganfall von Coolness, armes Schaf.
Die Pipeline aus dem IPod pumpt Tom Waits

um ein Bedauerfunksignal von „NO BILL GATES“,
und manchmal, wenn dein Kopf sich rückwärts warf,
und seinen I-Phone-Seifenstück-Bedarf
am linken Ohr stillt, wünscht man Norman Bates

als Sidekick an den Ego-Duschvorgang.
O Held des I-Tech, abseits von Empfang,
nun schieb dir deinen Faustkeil in den Arsch,

Big Brother kann, nach jahrelangem Marsch,
dich dennoch schnell und einfach orten.
Das schluck – mit einem Eimer Ei-Verpoorten.


© Thomas Krüger, Juni 2010







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Mittwoch, 23. Juni 2010


Deftiger Brotzeitteller

Gewürzgurkenvakanz bei 280 Sachen.
Die Stille der Schinken-Scheiben.
Brennwerte. Zitterndes Liegenbleiben
von Schlangengurke beim Streckemachen.

Zug und Gedanken lassen es krachen.
Zahnlosigkeiten um all die Scheiben
von Welt und Wurst. Wir treiben
um Gurkenverluste im Flachlandrachen.

Schnellschlucken und Schienengetöse:
Ein Rest von Schwarzbrot, Wurst und Käse
verschwindet. Die Schlangenware,

bleibt weiterhin liegen. Ich fahre,
vermisse den Biss in würziges Grün.
Der Zug rast ziellos nach Berlin.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Plato verkennt die Realität

Das iPad galt bei Demokrit
als klarer Fortschritt, als aus Pad-
Atomen für ein High-Tech-Tipp-Gerät
atypisch seelenvoll gebautes Mac-Teil mit

der Mitteilung von Nicht-Durchschnitt;
Design an sich und päd-
erastlos einsetzbar, für Demokrit ein päd-
agogisch bitgewaltig geiles Zeichenkit.

Er saß ganz ungeteilt dahinter, touchend,
was Plato später, Demokrit abwatschend,
ein Unding nannte: Tafelperfidie.

Den Jungs in seiner Jung-Akademie
erklärte er, das Ding, bei Ding-Ansicht,
sei nur ein Schatten seiner selbst. Mehr nicht.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Samstag, 12. Juni 2010


Beim Betrachten eines Fotos von
PG Wodehouse und Herbert Grierson,


Der Grundgewißheit strenges Alphabet
ist wie ein alterndes Gebiß:
bei jedem Driss
fällt etwas, das bekrönt da steht

im allseits breigefüllten Kaugerät
schnell aus. Dann muß
ein neuer Schluß
die Lücke schließen – Wie das geht?

Man nehme da zum Beispiel das Axiom:
Nach allem Für und Wider ist es das Genom,
das Mensch und Tiere unterscheidet. Gut.

Dann folgt die Probe, die danebengeht.
Und aus der Lücke, die entstanden ist, entsteht:
Es ist – nach allem Für und Wider – wohl der Hut.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Freitag, 11. Juni 2010


Die Krieger aus den fernen
frikastralischen Gefilden,
lassen uns nicht in Ruhe mit ihren
Ungebildetheiten und
nutzen nun
I-Phones als Pfeilspitzen und
stehen vor Wien:

Oh!

Die Dinger sind schärfer geworden:
die Krieger aus den fernen
frikastralischen Gefilden
nutzen die I-Phones
der neuesten Generation.

© Thomas Krüger, Juni 2010
Du hältst Dir einen Igel ans Ohr,
und während du Hallo? sagst,
grüßt schon der Tag und deine
Hand, die blinde,
erschrickt zum Topfdeckel
der Marke I-Phone,
fällt ins Laub unter den
Urwaldbäumen auf dem hohen
Frauenbrusthügel
hinter Aschaffenburg um 9 Uhr 40.
Freizeichen und Panther: vom
Vorübergehn der Stäbe
bist du solch ein Floh geworden,
daß dich nichts mehr hält.
Kein Husten hör ich,
Iglein, Iglein in der Hand…
Hallo?!
Ich dachte,
ich schlafe noch,
aber dann...
mein teures, mich
bedeutend machendes
Nebenmir – im Irgendmeer
unter den Sitzen...

© Thomas Krüger, Juni 2010

Testlink


Der Krieg

Der Krieg, der moderne, mit seinen
unglaublichen Waffen, gehört zu den smarten
Schwiegermütterlieblingen, kaum zu den harten
Jungmanagern in Nadelstreifen.

Mädchen läßt er schlagartig reifen,
Jungs können es gar nicht erwarten,
zu trinken mit ihm. Ich mag seine zarten
Hände, die langgliedrig feinen.

Day after day we invest our Dorian-Greyness
in his strength and his gayness...
Dem Krieg sind 5 Stunden Schlaf genug für sein Wesen.

Sein sauberer Schreibtisch beweist, er schließt
die Lücken, die andere reißen. Der Krieg genießt,
was seine Touchscreen-Finger in uns lösen.

© Thomas Krüger, Juni 2010

Dienstag, 8. Juni 2010


Der Geist

Du kannst eine Lümmeltüte
auf deinen Max setzen.
Du kannst auf den Dax setzen,
Frauen in toxischer Dauerblüte

powerbetüten,
Aktien & Nacktien
anziehen & ausziehen:
es wird dir nichts nützen, das Wüten,

weil:
keine Ahnung: weil,
dings,

weil:
du weißt schon: weil
nun sag schon... steht links.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Friedenspfeifen...

Im Land der Wasserkocher
pfeifen in Hütten–, Palästekantinen
Küchenmaschinen
in Tönen, die Dünnbrett-Locher

verbrochen.
Dünnbrettlöchernes Greinen,
könnte man meinen,
von Pfeifen statt Köchen.

Und doch ist pures Futur
des Küchenmaschinenparks erste Natur.
Wer ließ dann an diesen die Nieten?

Ach nein, es ist schlimmer:
von Küchen kein Schimmer
kochen Eliten.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Regierungsbeteiligung

Du bist so müde, phantasierend, im Hotel…
Auf fernen Bonner Trimm-Dich-Rädern sitzt
von West-Regierung Restliches und schwitzt
so wie man schmilzt. Es ist noch hell,

im gleichfalls fernen Kanzleramt – und still.
Das Licht dort flackert, wenn ein Quentchen West,
ein Strampelndes, sein Trimm-Gerät verläßt
und abtritt und was Leichtes mit Becel

zu Abend ißt und schlafen geht
und sich nach Osten zu den Schafen dreht.
Doch geht das Licht nicht aus. Das Amt ist groß.

Du bist so klein. Dein Zimmerlein
läßt noch den feinsten Rest von Kanzlerschein
hinein – und ist er blaß und evangelisch bloß…

© Thomas Krüger, Juni 2010







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27. Mai 2010 – 23:20 – ZDF (Sonett mit Lunte)

ein Beitrag zur laufenden Papierflugmeisterschaft
der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung


Sonett, dir glückte hier ja fast ein Senkrechtstart,
so leicht bist du, so feingefeilt, so filigran:
Skelett des Phönix, lichtgleich, auf Papierflugbahn;
kein kritisches Gewicht zuviel zur Himmelfahrt

in dieser windgeschützten Halle: aufgebahrt,
auf stummen Flügen voller Kindergarten-Charme;
wo niemand nie ein störendes Hatschi! vernahm,
nur Schweben sah: so Bombiges, verunsichtbart.

Hier wirkt ein Frieden, alles Störende verpufft
so folgenlos. Hier steigt ein frommer Duft,
ein brandneu süßer Hauch von Luftgeburt.

Hier gehst du auf, Sonett, bist ach so nett
hier nichtzusehn – und nach dem Schluß-Terzett
bleibt nicht mal Wüstenwind. Nur heißes Nichts. Ein Fur(t)-
zzzzzz

© Thomas Krüger, Juni 2010


Blitz Licht

An der Palastmauer des Kaufens, lächelte da nicht
das Bild dieses flüchtend ausgestorbenen
Lächelmädel-Jagdttierchens aus dem Stall der
Modemarke Brax oder so? War dahinter nicht

ein Hufeisen-Totenschiff-Gebäude, außen mit Nachtlicht?
Lampen im Zahnweiß des Mädel-Gewalt-
Bilds mit Brax-Mann im lächelnden Hinterhalt?
Das Riesen-Mode-Höhlenwandbild? War das nicht?

Das brannte doch… das fing doch mit
den Zähnen…, nicht war? Das Mädel glitt
schwuppp… in die eigene Rosette von Feuer,

dann brannte der Kaufpalast dahinter ab: Sirenen
Großeinsatz, Anschlag mit 1000 Toten und Müttertränen.
Steht da nicht schon ein neuer?

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Schöpfung

Grau preßt der Himmel seinen schweren
Regenarsch aufs Dachzimmer-Klofenster.
Ich scheiße mich lichterloh, beleuchtet von o-
ben, wo Fensterfarben-Fische sich leeren:

Über mir die Sintflut. Die Fische verkehren
im Hämorrhoidalen – und doch so
bleich und leichenstarr in dieser Möchtegernro-
sette von einem Dachfenster.

Ich denke, also bin ich die Trance
der harten Kanonenrohrbronze
von Rodins Penseur.

Passagen. Unter mir Dunkelheit, O-
deur du Mal. Wieviel Höllentor ist doch
vom Himmel herab jedes Durchgangsloch.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Sonntag, 25. April 2010


Teleologisches Dilemma Köln - München

Ich mag dich, Gott. Du bist bei Siemens Boss.
Wie gut, daß ich bei Siemens nicht beschäftigt bin.
Der für Defekte Beste langte kräftig hin.
Nun liegt der Zug, der als IC-Geschoß

geplant war, reglos wie ein totes Roß
verlassen auf Gleis 6: das ist kein Bahngewinn.
Wie wirst du zürnen dem, der dort bei Siemens im
Entwicklungszentrum so sehr patzte, Boss?

Ich höre schon den Ton, den donnernd rüden,
zum Mitarbeiter ob des Züge-Liegens.
O Führungskunst bis zum Moment des Fliegens.

Nun gut, ich fliege längst von Köln nach Süden.
Ich mag dich, Gott. Du bist der oberste Pilot.
Wie gut, daß ich… oh Gott… ich Vollidiot!

© Thomas Krüger, April 2010







Lesung des Sonetts

Dienstag, 20. April 2010


Inseldörfersonett No. 1

Sexverlassen am Dorfrand von Utersum:
Noorder Kaalkamp. Links ein freies Feld,
das rechts auf ein Nichtbordell zuhält.
Windstärke acht: inkognito ergoosum.

Dreh dich nicht um, Pilot. Engelum-
gangene Schäfchen: hinter dir fällt
eins aufs andere, count-downelt
schaum-westliche Restwelt: vobiscum...

Dominosteinzeit: das Licht um
sieben stellt hoch über Midlum sich
gegen den Wind und das Fallenwollen.

Engel in ausgebeulter Übergröße:
Taschengeflügel, die Windstöße,
Blasebälger. Heulen und Heimwärtstrollen.

© Thomas Krüger, April 2010







Lesung des Sonetts

Freitag, 16. April 2010


Die Ritter der Tafelrunde

Zwölf Männer fuhren nachts durch Niedersachsen
und saßen, wie einst Rudersklaven saßen.
Nur hatten sie die Hände frei und fraßen
im Bistro-Wagen Rostbratwurst und Haxen,

umspült von null-fünf Weizen oder Becksen.
In Wolfsburg stieg ein Wesen zu mit Maßen,
konträr zu all den Bäuchen, die schon saßen,
und setzte sich ins Zentrum der Blickachsen.

Es orderte ein Wasser ohne Gas,
und zischend quasi flüchtete der Spaß
des Grobzerfleischens: Schmatzgeräusch ade.

Nun wirkte der Betriebsrat von VW
und ließ das Wesen kultiviert entlarven
den einen oder andern Ludersklaven.

© Thomas Krüger, April 2010








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Samstag, 10. April 2010


Transformation: Imperfekt

Roncalli-Nachmittag. Die Schlange auf dem
Neumarkt windet sich vom Schwanz am
Pissoir recht laut und lebhaft, langsam
bis ins Zelt, wo sie als Ringelwurst bequem

zur Ruhe kommt: d.h. zu dampfendem
Erwarten – logenrandig kinderhandzahm,
darüber breit und teils im Dunkeln handsome
in Rundungen, die in die Runde sehn.

Ein Ende, Anfang – Pro-Mutabor-Phase,
komplexes Wechseln, das von Fuß bis Nase
das Inter-Hinterntum rundum-sortiert.

Noch draußen sah ich Wandelnde verdauen
ihr Lächeln, Gift in Zähne schießend, Kauen,
sah fur and faeces – nun wird aufgeführt.

© Thomas Krüger, April 2010

Sonntag, 28. März 2010


Über Gewitter

für Helena

Simultan in dieser Überlichtschnelle, in dieser Stille-Post-Filiale, in diesem Lederbeuteluniversum mit seinen feinen, böckchenspringenden, knisternd flüchtigen Zerbrecherklängen der heiligen Dinge darin. In dieser Weltinnenüberlichtschnelle von immerwährender Jungfrauendurchbohrung, in dieser Sphäre von Luftüberlegenheit knuspert die Maus in der Chipstüte, erschrecken die Kinder darüber im Selbenraum des Selbenraums des Selbenraums: Enge und Engelraum, flüsteraufsaugend; das irgendwo knöcheltief faradaysch-schreckzonenkugelideale Hänselchen-Gretelchen von Mann und Frau unter Feder und Schuppe und Alpha und Omega & so weiter & so weiter? Die flüchtenden, winzigen Riesenkinder rasen zum Feuermachen scharf aneinander vorbei und reißen sich Arme und Beine und Köpfe ab in den helleren Momenten in diesem durch Würfelwürfe niemals Auszulöschenden unter den meteoritenen Gischtspritzern, den aberdiamantharten Geschossen des Zufalls, mit ihren starrenden Augen; die Feuerstellen, die Ofenlöcher, die offenen, goldbefüllbaren Münder & drumherum die gigantischen, winzigen Detonations-Egosphären. Erklärungen auf immerwährender Irrfahrt. Die klappernden Knochen in Kuttenweiten, die Stürze von jähem, odysseischem Metall in einen Feuerball, in eine der Weite entsprechende Menschenmenge sphärischer Proteine, in diese unerbittliche Stille ihrer selbst, diese Leere, ins ständige Zerreißen der DNA von Mann und Frau unter Feder und Schuppe und Alpha und Omega & so weiter & so weiter? Am Rand. In der Mitte. Von Sphäre zu Sphäre, von Niveau zu Niveau, Innenwelt-Außenwelt: das Wünschelgeflüster von Liebe und Hass & Liebe und Hass. Und die wehende Sprache – fort von den raschelnden, knisternden, knackenden, knuspernden, rotzhochziehenden, raunenden Kassen, den Worteschleuderern und -klimperern. Das Liebesverwünschen. Das unbestimmbare Ich & ein viel zu kleiner Traum – in diesen viel zu großen Räumen voller Friedenspfeifenwolken – und wieder Nichts. Und wieder Dunkel. Die Maus in der Chipstüte. Das klappernde Gerippe in seinem wehenden, irrfahrtenweiten Aberfleisch. Stille und Ungeheuer. Und das Knirschen der Gedanken, Knochenbrechen, Weiterirren in Wiedergeburten, Fehlbildungen, Trennungen: rasend zum Weitersagen aneinander vorbei, zum Zerreißen, die Satzglieder, die Würfelaugen-Augenblicke, die goldenen Schwärzen aus der Tiefe, der Knöcheltiefe, der himmelhohen, die blutigen Beutestücke zu werfen ins viel zu verbrennende Ohr. Simultan.

© Thomas Krüger, März 2010

Sonntag, 14. März 2010


De‘Longhi Lattissima EN 660 Stylish Red

Gerät, du rührst dich nicht? O Hochkultur!
Wie stehst du still und rot und funktional,
faschismusvorwurfeingehegt, kaum Edelstahl,
und dennoch rostfrei – in vollendetem Futur,

auf Resopal. Der dich erdacht hat, dachte nur
an einen Kubus für das Küchenarsenal.
Du bist ein Leuchtturm von, ich schätze mal
der Höhe einer Standard-Kuckucksuhr.

Doch gleichst du einer Eule – nicht nur weil
dich Nacht umgibt und weil dein Auslaufteil
dem Kopf, der eingezogen unbewegt bleibt gleicht:

Du gleichst der leuchtend Weisen, weil du aller Welt
in Wirklichkeit den Arsch zeigst, der, was ihm entfällt,
das braune, Flüssige, als Anregung verabreicht.

© Thomas Krüger, März 2010

Donnerstag, 11. März 2010

Tetris

Not Withabang und But Awhimper spielen Tischtennis
auf einer gigantischen verschiebbaren Platte.
Wenn Regen den Charakter von Tischtennisbällen annimmt,
haben wir ein Tischtennisproblem, sagt But Awhimper.
Der Schmetterball ist die Sehnsucht des
Reissacks vor dem Umfallen, sagt Not Withabang und
entscheidet den Satz für sich.
Damit wir weiterspielen können, fallen die
Weiterspielteile am Boden wie Bausteine passend
ineinander, sagt But Awhimper in den Regen beim
Verfehlen der Platte infolge Platten-Verschiebung –
und Tausende Tischtennisbälle nehmen den
Charakter von Regentropfen rückwärts-
hüpfend in den Nanosekundenbruchteil vor dem Auf-
schlag an – weil so das Leben sein kann, sagt Not Withabang,
was aber nicht stimmt, sagt But Awhimper, und auf Regen
folgt Sonnenschein und jede Erregung
muss enden, jede Kettenreaktion löst sich am Abend
lesend in spätburgundischem Marcel Proust. Ach,
scheiße, nein, sagt Not Awhimper
But Withabang.

© Thomas Krüger, März 2010







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Sonntag, 28. Februar 2010


I'm a poor lonesome cowboy

Morgen will ich meinen Panzer Jolly Jumper reiten: im
Wärmebild des Zielgerätes werden wir vielleicht nicht jedes
Hindernis erkennen, aber plattmachen werden wir es.

Sein breiter Rücken, vibrierend unter meinem Gesäß, seine
löwen-, drachen-, ziegenerschreckende Schwere werden
Wanne und Granaten in den Äther heben: Jolly Jumper.

Jolly, mein Schlachtroß, wird Rußwolken husten, ich werde
kettenrauchen. Genießen werden wir: reiten, fliegen,
schwimmen, Witze reißen und Sprit fressen: Jolly und ich.

Bollernd durch den Endlosgag des Bildausgangs, den die
Großstädte von morgen an bieten werden, werden wir
mauerbrechend und feuerlegend Szene für Szene verlassen.

Ich werde Jolly als übergewichtiges Fliewatüt mit elegischen Ver-
bundpanzer-Eigenschaften und mich als Sonnyboy mit Neigung
zu sammelbandfüllendem Selbstbetrug zusammenhalten.

Ein Team im Alptraum der frühmorgendlichen Rush Hour: zu
Windmühlenflügelgefühlen an Jollys Nüstern und totaler
Schwärze vor meinen Kanonenrohrkunststücken werden wir lachen;

singend vor Reisebüros, ungebunden und immer neugierig
werden wir Mancha und Prärie mit Kugeln belegen, den
Hindukusch und die Fußgängerzonen nach Ladenschluss

mit Dauerfeuer in einem Lied voller Einsamkeit und leuchtspur-
ziehender Melodie, kometenhaft, und Jolly wird hinter der letzten
Stalltür limonadetankend mich ansehen. Wir werden dann sehen,
wie es wirken wird auf uns. Dann werden wir sehen.

© Thomas Krüger, Februar 2010

Dienstag, 23. Februar 2010


KÄFIGSONETTE

Erster Teil : Sonett Nummer 7

Tum : das ists : Gräben müssen : nicht schlecht sehen und Milch könnte nicht zufällig in einem
Anspitzer diesen als zuständig erkennen : wie der Anspitzer und mögliche Notwendige :
Dichtung und Wahrheit in Motoröl und Motorola : Botox Boxenstop : zum Tümen bestellt :
Weltkrieg I und Weltkrieg II erleben die größte Krise seit Beginn der Krisenzeitmessung :
schlechte Milch ist ein frühes Zeichen : Maskulin : Femotherapie aus Helsingör zum Beispiel
wird alles kälter : die Kleinwagen ach Schnauzen : sie lassen den Stau doch stimmen : wie Wein
auf Brot macht den Mai versagen : Grüftemoder : Rühmkorff : das ists : Einzelteile im Pudding
an sich an die Wand nageln : denn Heimwerkermeister sind : wer uns nicht kennt : ein Stück
Frühe : Jünger : Apfelbug und je nach Messertiefe ein Stich : ein ersaufendes Stahlstück :
Wäscheleinchen : Schnitt : Schnitt : Schnitt : die längste Grade zwischen Erblindungen : zwei
im Unendlichen : Apfelmilch und Fische : schlecht für die Fische : das schlecht in sich
reingucken Können : daß von den Fischen ein Schatten fehlt : wo Milch sich zur Tür raus :
Pyrrhusbanditentum da draußen : wo Botoxikologen schon lange wie blöde doch : wo aber
Blindes ist : streckt das Wettende sich aus : Bumsen : das ists.


Sonett 1962

Ich höre die Immerdüsenjäger : die ihre Vorräte mitnahmen : solange von einem Himmel von
ihnen so vieles abfiel : die Schnäbel : mit Schnabelsüße gestählt : so kleine : sich bücken und
danken : Diamanten zu sagen : stirb mir nun schön : Die Füße sind Schrifte : Berge von Schnee
in einem über dem Herzsteinharten an die Kralle zum Krallenspiel gelegten : Die Immer-
düsenjäger : Höre ich sie nicht : Das Erdkugelende : Nach drüben : Nach drüben schmecken :
Nahdrübenerfahrung : Feuerwerfender Schmetterling : bebrennbare Nähe an deinen Flügeln :
totale Luft ist daran : ein Feuerverführer von Herren : Sommerklebe und zurück : Das Buch :
mich auszusetzen im Kreischen der kleinen Schnäbel : Die Feuer drin schaufelt den Atem darin
: Näheres : Glasige kleine bunte Kugellunge : Wurmschnabelinge : So ohne Himmelohne ist
keine Haut und der Himmel die Faust und die kleinen frierenden Fingerspitzenschnäbel :
Panzerfahne : läßt mich der Atem mir unwidernachbarwahnsinnshohe Berge von letzter
Schnabel- kleinster Schnabelnähe die Knochen brechen im Kissen von Abgrund an Abgrund :
Fülle den Pflanzensaft mit Deinem : aus Heu und aus Stroh : Quetsche die Pickel in Waben aus
Waben in Pickel die Freizeichen : Immerdüsen : Stopfeuer so süßes : abfallendes Kind


Sonett: Regierungsbeteiligung I

No-Nebel : die Regierungs-Erklärungs- vom Vorübergehn der Stäbe : In Kurzarbeiterformen
tauchen : naja: die sollen das Pflugscharren mit den Schwertern mal klimaforscher : von
Burbank ist gestern wieder ein Schock Maskierte : die aber den Saal und den Erdkreis im
Karren gegen die Jungs aus Chicago : die Anglikanische Kirche : No Logo : Bolero : Oni und
Boni : Holterdie : Aber den Satz vom Ganzen : O Gott : der Staat sagt nebelkerzengrade Bitte
umsamkeit : Termiten mit immergleichen : Alle müssen Gesichtern : Speicheln dich du hohes
Mittelschiff am Hindukusch vom Ganzen : Streichelzoo : Notstanzen ficken den Boden wir
Deine Namen und Irren : Tanzen und Bonzen : Lobeden 21 : so feste ne Burg : du : Aber den
Schuh um den abgerissenen Fuß : Mein Mädchendrama : Senkung Meine Damenun Tarier vor
aufgefahrener Titanic nicht : Wir sagen dem Kampf den Norman-Kontrollverfahren : über allen
Witzen ist Ruhe : Bitte du Vogelkäfig : Spezialdemokratentum : so müd geworden : dass es
keine Welt : aber ein Wort hat das Rettungsmaßnehmen da unten in Hintertausend: 1000
Hosen : kein Held : die tosenden Käseglockenunternehmensetzenden : die so und ach so
Vielen : Sitz und Gesetz und Witz und Geschwätz : Das Geschäftemachen : Verzeichnet Lachen


Fahrt durch die Kölner Bucht bei Tagesanbruch

Der Mauerverband ist nicht brennbar : die DNA dieser Dinge in Fehlstellungen : Abriß-
wänden : Dämmungsschimmer über der Börde und Schlieren schwarzen Kaffees aus den Ferne
werdenden Filterspitzen des Doms : Zwischenlösungen dauern : und Fahrplanhimmel : die
Modeplakate am Bahnsteig : 7 Tage sind nicht verhandelbar : tornadoschlanke Menschen im
Notbremsmodus : Erfrieren und Frühstücken und Verschwinden : Geburten : die Verbrechen
am Tod : die Weite ist Übergröße : Luftschwachsinn : wie wenige Lebensmittel den winzigen
Nagern da draußen eingefügt in dieser Irrenhausweite : wie viele Tiere ergeben ein kleines Gift
und Stücke von Fell : ihr Blut zu zapfen den Herrschergeschlechtern der schönen Geschichten
von gestern : König A trifft König B und siegt bei C für D : die Sonne ist aufgegangen : nicht
brennbar und hüllenlos : sind Risse in diesen SS-Geländen in denen wie Flüsse Ruhe herrscht :
das Braun ist den Stromgesellschaften kaum zu nehmen : Tunnelfahrten in Kernferne :
Blaulichterloser Einfluß auf wenige Indianerhorden : Piratenschifflose : Vier- oder Fünfjährige
kaum noch herausragend aus ihren Mausefallen und Bäume solange sie laublos sind : im
Leerezug geschichtenerzählende Laubsäge-Bauern mit Fahrkarten für das Draußen da : Herrgott


© Thomas Krüger, Februar 2010

Samstag, 20. Februar 2010


Die Bedingtheit der Welten

Fixsternhimmel, verirre dich zu Tannen und
Blechwanne im Tal bei der Lichtung mit Kuhgehirn.
Brillenschlund: Wangenrand, Jochbein und Denkerstirn.
Schlucken und spucken. Strömung im Mutterfischmund.

Nadeln und Ameisenbeine. Mount Larvensterngrund.
Kreisverkehre. In Nah- und Ferntunneln schwirren
Boten auf Blutkurs, schlagen die Schwänze, irren die
Ich-Tiere durch Q-Molluskes. Bodengewimmel…

Stille Kuh, was siehst du, im Dunkel der Kuhstille?
Im Laufkreis will ich mich drehn auf dieser Ruhestelle,
Wagenräder sehn und das Wasser in Wrackteilen.

Fischen will ich. Schauen. Wolken. Weiße Zähne flitzen
rein und raus. Bei Sternen im Tal, da werde ich sitzen,
solange die Blutkörper suchen und weitereilen.

© Thomas Krüger, Februar 2010







Lesung des Sonetts auf YouTube

Montag, 8. Februar 2010


Parallelwelten

für Helene Hegemann


Der Stempel, der auf meinem Schreibtisch hängt,
in seinem Stempelhalter, lebt im Drogenwahn
und sah schon manchen Kumpelstempel tot sich fahn,
im Rausch, wie ich hier ab mich schreibe; wo er selbstversenkt

so vor sich hin headbangt
und Komaphantasiiin kennt und subkutan
synthetisch optimiertes Yucatan,
und was dem Stempel sonst noch Stempelträume schenkt…

Der Stempel ist ein Wahnsinn, ungeheuer
sind seine Mehr-als-Butt-Plug-Abenteuer.
Er hängt hier still, doch eine stahldurchzäunte Fresse,

in Stempels Welt und meinem Schreibtischlampenschein,
sagt: komm in meinen Partysarg Berghain.
Mann, Stempelchen: du kennst die richtije Adresse.

© Thomas Krüger, Februar 2010

Montag, 25. Januar 2010


Neulich im DM

Ich frage mich, was gehn mich meine
Massentötungen von gestern an?
Was nimmt Christine Westermann
für ihre biologisch abbaubaren Beine?

Die sind wohl kaum so cellulid wie meine.
Ob man den Klimaschutz mal testen kann,
bei diesem Achselspray mit Puma-Bann?
Kein Tier soll leiden. Nicht mal Schweine.

Vielleicht Kosmetik aus Afghanistan?
Naturkosmetik? Um den Taliban
zu schaden. Feuchtigkeit besiegt das Böse,

Volumen-Serum, schick von Udo Walz
und Avocado-Lotion für den Falten-Hals.
Die Tube paßt auch schön in meine Tasche.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Donnerstag, 14. Januar 2010


Ichthyotisches Sonett

Dann verstanden die Fische die Sprache der Tretboote:
die Flächen der Tretbootverdunkelungen –
lernten die Jungen – hätten geklungen
wie Klatschen mit höherer Seenote,

bevor ein tretbootverdunkelter Fischbote
die Bootsignale als himmelsdurchdrungene
Warnung heiliger Seezungen,
als Zeichen deutete: die Fischwelt verrohte!

Je roher der Fisch, desto schlechter,
warne ein Rechteck-Gerechter -
so quatschte der Fisch.

Das Rechteck als Zeichen des Tischs
erfordere Garung des Fischs.
Dann käme der Fisch auf den Tisch.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Donnerstag, 7. Januar 2010


Deutsches Museum: Otto

An Spinnweben, der du da hangest,
drumherum Museum und wiederum
drumherum unmuseales Beben, um
welches Sphären kleben, und drumherum
wahrscheinlich Gottwahrscheinlichkeit und
drinnen Nach-draußen-Glauben, auf
Luftbewegungen, Fliegen, kleinen
Wirbelungen, Bekreuzigungen, heim-
lichschnellen, und drinnen Dunkel-
Luft und drumherum die Knochen und
Knochenbrecher und so und Fliegen-
Beben und Flügel-Heben und -Sinken und
Schnelles, Allzuschnelles und Weben und
Weben. Ogottogott.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Montag, 4. Januar 2010


Erkenntnis

Im Bahnhofs-Bistro Tutzing hängt von Casablanca
ein Blechschild mit dem Bild von Bergmanns Ingrid.
Man weiß nicht, wer den Wirt zu diesem Ding riet,
es wirkt wie ein ins Flach gelegter Anker.

Darunter saß, als ich es sah, ein Punker.
Sein Weißbier zog, wohin es Biere hinzieht:
es feuchtete im Geist von Let dat Ding bleed
den Hocker mit – naja: mit feuchtem Schanker.

Ich kam und sah und dachte: Gott, ein Punk;
besoffen, übelriechend, harmlos – Gott sein Dank;
ein Teil der Kraft, auf die wir schworen – lange her.

Ich sah in deine Augen, Blechschildschöne;
ich hoffte, dass er sich auch weiter still zudröhne,
und war ganz aufgeregt reaktionär.

© Thomas Krüger, Januar 2010







Lesung des Sonetts auf YouTube


… coming over the Starnberger See …

T. S. Eliot


Am Firmensitz von McDonalds in Bernried am Starnberger See bemängelte der CEO des Unternehmens, Charles Dexter Stickbeef Buschman Junior III, die nächtliche Wirkung der maisgelbgoldenen M-Reklame, leuchtend von ihrer kilometerhohen Siegessäule auf dem nahen Ilkaberg, reflektiert von der leise gekräuselten Seefläche – und tatsächlich: starrte der Vorstand doch abends geschlossen aus dem Hochsitz-Panorama-Seeseiten-Fenster des Teehauses im Bernrieder Anheuser-Busch-Woods-Stiftungs-Park, von wo aus Big M die Burger der Welt koordinierte, und sah, daß es völlig verschwommen und nicht zu genießen war: ein maisgelbgoldenes, in viel zu viel cholesterinfetter Butter zerlassenes M auf der Wasserfläche zwischen Bernried und Seeshaupt am Südufer des Firmengewässers. Der Vorstand unter dem Vorsitz von Charles Dexter Stickbeef Buschman Junior III ließ darob zur Markteinführung des CO2-freien Fischburgers Ludwig Zwo die Technik der allerneusten Leuchtreklame teilhaben am neuen Zeitgeist der unbegrenzten Möglichkeiten und installierte in Kooperation mit Apple Inc. – d.h. dem höchstpersönlichen Steve – there’s one more thing – Jobs und seinen Jüngern – auf der Siegessäule hoch oben auf dem Ilkaberg, ein fluido-mobil-stationäres, gigantisches M, dessen quicksilbrige – genauer quickmaisgelbgoldene – Reaktionen auf die Reflexionsmuster des gekräuselten, kabbeligen, gischtbetupften bis stürmisch bewegten Seewassers ein unmittelbares Korrigieren bedeuteten, das heißt in unmittelbarer Wechselwirkung mit den Unruhen des Wassers zur völligen Glattzeichnung des M auf besagter Seefläche führten. Die fließend maisgelbgoldene aquakutane Starre des mächtigen Buchstabens mit den Subkonnotationen Mensch, Mundo, Mund, Megatonnen, Mais und Magen (deutsch) ruhte fortan wie ein Hubschrauberlandeplatzsonderzeichen quasi wie festgemauert, wie eintätowiert, selbst auf den gischtigsten, kabbeligsten, stürmisch bewegtesten Wassern des südlichen Nassgrunds, diametral entgegengesetzt sozusagen dem König-Ludwig-Grund bei Berg, während das hohe M auf der Ilkahöhe, und mit ihm jedes abgeleitete M auf einer der Höhen der Welt, tanzte, zuckte und fluktuierte, oder auch nur zitterte – für ein standfestes, gigantisches – oder auch nur winziges – M in allen denk- und erreichbaren Reflexionen, Abbildungen, Spiegelungen – vom kleinsten, tränenverzitterten Kinderauge bis zum pissgelben Riesen-M auf dem wie rasend zusammenkrachenden Ross-Schelf irgendwo am knackenden Rand des antarktischen Pol-Pileolus der südhemispherischen Welt. Der Fischburger Ludwig Zwo wurde, nebenbei gesagt, ein voller Erfolg. Die zahlreichen Hubschrauber-Abstürze im Nass zwischen Bernried und Seeshaupt wurden im zentralen Teehaus der Firma als willkommene Zusatzwerbung verbucht. Das große, abgeleitete M auf dem Times-Square der bekannten Stadt New York City westlich von Bernried tanzte in einer rasenden Sturmnacht, die den Starnberger See im folgenden Winter heimsuchte, so ausdrucksstark, so ungewöhnlich agil, so ausgelassen, daß den Freestyle-Hiphoppern der begeisterten Stadt New York in einiger Entfernung vom Firmensitz in Bernried beim Versuch, den maisgelbgolden Tremor in einen neuen Style zu überführen, reihenweise die Beine brachen. Aber es blieb ja, zum Glück und wie immer in solchen Fällen, nicht bei einem einzigen Versuch.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Samstag, 12. Dezember 2009


Peace

Vogelhintern, zwei, drei, oben, oben, vier
in trister Dauernieselgreulichkeit dort über
Schloten, wo wohl Himmel steht, nur trüber.
Löchlein, zwei drei vier, die hin und her

die hohe Luft ausloten: Teufelstier
mal zwei, drei, vier: Ihr-könnt-uns-Flieger…
am unsichtbaren Löchlein…, Routenbieger,
ihr kurskorrekten Pilgerzügler ihr.

Das liederlich quadrierte Selbst, es zielt
erratisch, wie von Schüssen knapp verfehlt,
ins Gleichgescharte, graubetrübte Klare.

Die Schüsse, die dort oben scheinbar scheuchen,
sie fallen hier, im geistigen Am-Boden-Kreuchen:
dem ihr was scheißt – ins Gute, Schöne, Wahre.

© Thomas Krüger, Dezember 2009







 Lesung des Sonetts auf YouTube

Sonntag, 22. November 2009


Duales System // Armer Poet

Ceci n'est pas une pipe


Braun an der post–it–gelben Rauhfasertapetenschlafzimmerwand, ein
Steckdosengrenzübergang. Eine Steckdose, Steckdose. Eine
braune Steckdose im Schlafzimmerhosenbeine. Da unten,
rechts vom rechten Bettrand steht der himmelblaue
Wäschekorb zum Drüberfallen halb, das erste
Nebendosen–Sein. Ich schlafe nicht vom Kopf ab–
wärts, schaue die Steckdose, braune Steckdose, mitten im 24–
Bilder–vollgestellten, abgestillten Zimmerwinkel, pro Sekunde
23 Male, lotrecht fallend, in Bettkastennähe hinterm im
Wäschekorbrand verschwindenden zahnpasta-titanweißen Kabel;
weiß der Kabelfall, stramm des Steckers Weiß in
brauner Steckdose, Steckdose, Steckdose, je
länger mir still der zahnpasta-titanweißen stramm–
steckenden Gumminase freien Kabelfalles Gartenbild, ein
1000er–Puzzle besteht, 1:22 bis 1:67 überm Teppichboden, die weihnachtsdeko–
vollgestellte Fensterbank am Fuß des Wäscheschrank–, des Medi–
zinkorbschlagreflexes schwach im Fensterglas vor dieser
lidschlagbraunen Jalousie, der Widerschein, der
Bügelbrettbug links, die Einsamkeit des Dübellochs, die
Kerzenstummel, Spitzerbüchsen, Christbaum–
munition in grauen Schachteln, Fäden, Puppenholz;
verbunden vom Bettlakenfaltenwurf zu den
Rippen des Radiators zur Fußleiste senkt der
Raum den grauen Schal, die
Steckdose das zahnpasta-titanweiße Kabel, bis
hinter die Wäschekorb–Bett–
kanten–Drüberfalle.
Alles zusammen.
Immer ist alles zusammen.
Doch eins, ein einziges von
24 Bildern je ist braune
Steckdose nur und sonst
nichts, kein
Stecker, Kabel, sonst
besteht da, blaßt und
fällt, sonst
steckt da, fällt da,
scheint da gar nichts.
Ist da Steckdose
nur.

© Thomas Krüger, November 2009

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